Text: Elisabeth Renneberg — Fotos: Michael Trammer
Wer Stefanie Laab am grünen Rand von Wolfsburg aufsucht, wird von mehrstimmigem Gebell empfangen. Fünf Hunde haben bei der Tierretterin ein Zuhause gefunden. Anstatt hungrig durch die Straßen von Polen, Spanien oder Rumänien zu ziehen, dösen sie auf einem Sofa in der Sonne oder toben durch den Garten. Von dem aber gehört der größte Teil den geflügelten Gästen. Über zwanzig gerettete Hennen und drei Hähne beherbergt Stefanie Laab. Leises Gackern klingt aus dem Gehege. Erst vor wenigen Wochen konnten sie den Legebetrieb verlassen, erzählt sie. Es gehe ihnen schon besser, auch die Federn seien nachgewachsen.
In ihrer Stimme schwingt aufrichtige Empörung mit. Kritik habe sie vor allem an den widrigen Zuständen in der Lebensmittelindustrie. Laab konnte dabei nicht mehr zusehen und gründete mit anderen 2015 den Verein Rettet das Huhn, dem eine private Initiative vorausgegangen war. Damals hatten die Gründerinnen angefangen, Betriebe zu bitten, ihnen ausgediente Hühner zu überlassen und sie so vor dem Schlachten zu retten. Mit dem medialen Interesse wuchs die Zahl derer, die bereit waren, sich für die Tiere einzusetzen und sie aufzunehmen.
Geflügel ist in Deutschland heute das häufigste Nutztier. „Über 173 Millionen Tiere wurden 2020 in Geflügelhöfen gehalten“, erklärt das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Im selben Jahr lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 13,3 Kilogramm Geflügelfleisch und 239 Eiern. Dazu gehören auch verarbeitete Produkte wie Backwaren oder Nudeln. Gnade kennt die Industrie keine – heißt: wer nicht (mehr) liefert, ist wertlos.
Würde es Stefanie Laab und ihren Verein nicht geben, führte der Weg immer direkt in die Schlachtung: „Wir retten Legehennen aus der Massentierhaltung. Allein in Deutschland werden jedes Jahr 50 Millionen getötet und gegen neue Junghennen ausgetauscht. Die sind dann Abfall. Deshalb holen wir aus einem Dutzend Betrieben die Hühner kostenlos ab.“
Ein bis vier Jahre haben sie dann oft noch vor sich – abhängig vom gesundheitlichen Zustand. Nicht selten aber werden sie krank, brauchen tierärztliche Pflege oder müssen eingeschläfert werden, „weil sie Tumore am Darm, den Legeorganen oder der Leber bilden“, erzählt Laab, die besonders schwere Fälle oft direkt bei sich aufnimmt.
Stundenlanges Retten
Unter den geretteten Hühnern seien auch solche von Freiland- oder Biohöfen. In wesentlichen Aspekten der Haltung würden sich die Betriebe gar nicht wirklich unterscheiden, sagt Stefanie Laab. Die Tiere werden überall als „reines Nutzprodukt“ gesehen und ausgetauscht, sobald sie sich nicht mehr rentieren. „Nach einem Jahr ohne Sonnen- oder Tageslicht, in Dreck und Staub halten das viele Legehennen sowieso nicht mehr aus.“
Unterschiede macht sie bei den Rettungen keine. Auch Hähne finden bei ihr Zuhause einen Platz. Manchmal kommen die sogar aus den selben Legebetrieben, in die sie versehentlich hineingeraten sind. „Sie werden als Küken falsch gesext und durch die Enge in den Käfigen fällt das niemandem auf.“ Laab, die als Lehrerin arbeitet, widmet den Hühner ihre gesamte Freizeit: füttern, saubermachen, pflegen. Der Verein Rettet das Huhn ist rein ehrenamtlich organisiert und funktioniert auch nur, weil jedes Jahr unzählige Stunden in die Rettung von ungefähr 10 000 Hühnern investiert werden, erzählt Stefanie Laab.
Die Vermittlung sei dabei am zeitaufwändigsten, weil alle Adoptivstellen im Vorfeld sorgfältig geprüft werden. „Den Leuten muss klar sein, dass sie die Hühner, nicht als Nutz-, sondern als Haustiere aufnehmen. Da gehört auch die Bereitschaft dazu, das Geld für Futter und ärztliche Behandlungen aufzubringen“, meint Laab. Allein die oft notwendige Operation am Legedarm koste mehrere Hundert Euro pro Huhn. Wer gewillt ist, ein Huhn bei sich aufzunehmen, muss allerlei Papierkram erledigen: Fragebogen, Kontaktformular, Fotos und Beschreibungen zur Unterbringung. In einem Schutzvertrag ist zudem geregelt, wie die Versorgung auszusehen hat und dass die Tiere nicht geschlachtet oder vermehrt werden dürfen.
Mit dem Einfordern einer artgerechten Haltung, verbindet der Verein außerdem die Hoffnung, die Tiere sichtbarer zu machen: „So sehen die aus, wenn die ein Jahr lang für euch Eier gelegt haben.“ Stefanie Laab selbst lebt seit langem vegan und verschenkt die Eier ihrer Hühner weiter. Was sie bei all ihrem Engagement antreibt? „Wir wollen, dass das alles aufhört.“
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