Text: Tobias Hoeflich — Fotos: Benjamin Jenak
Der Bus war schon startklar. Ganz frisch prangte das Logo der Refugee Law Clinic an der silbergrauen Fassade des VW-Transporters. Zuvor hatte eine Crowdfunding-Kampagne für den gebrauchten Kleinbus über 17 000 Euro eingebracht – und damit das anvisierte Ziel sogar übertroffen. Nach langer Vorbereitung wollten die Ehrenamtlichen mit dem Fahrzeug zentrale Aufnahmeeinrichtungen von Geflüchteten außerhalb Kölns ansteuern. „Leider gibt es viele, die es aus verschiedenen Gründen nicht zu unserer Beratungsstelle schaffen“, beschreibt die Vereinsvorsitzende Annika Fischer-Uebler die Idee hinter dem Projekt Wheeling Justice. Es gibt zwar Beratungsangebote in den Einrichtungen, nach Ansicht der Initiative sind das allerdings noch deutlich zu wenige.
Der Ausbruch der Pandemie aber bremste das Vorhaben der rollenden Rechtsberatung im wahrsten Sinne aus: „Leider mussten wir den Bus erstmal stehenlassen. Aber immerhin hat unsere Beratungsstelle nach der coronabedingten Zwangspause wieder geöffnet“, so Fischer-Uebler. 2013 von 13 Jura-Studierenden gegründet, ist die Refugee Law Clinic in der Rheinstadt heute über 400 Mitglieder groß – 70 von ihnen stehen Geflüchteten bei Rechtsfragen zur Seite. Max von Maydell habe nach einer „idealistischen Aufgabe“ neben dem Studium gesucht: „Der Verein bietet Menschen die Chance, sich juristisch auszuprobieren.“ Während von Maydell noch gut ein Jahr studieren wird, sitzt Fischer-Uebler schon an der Promotion. Auch sie findet es reizvoll, mit ihrem Jura-Wissen aus Büchern und dem Hörsaal anderen zu helfen.
An der Seite der Geflüchteten
Etwa 20 bis 25 Hilfesuchende empfangen die Ehrenamtlichen in einer wöchentlichen Sprechstunde. Dort schildern die Geflüchteten zunächst ihre Anliegen. Doch nicht in jedem Fall kann die Refugee Law Clinic auch etwas tun: „Fälle wie Abschiebungen, in denen es bereits ein gerichtliches Verfahren gibt, dürfen wir nicht betreuen“, meint von Maydell. Stattdessen geht es eher um Themen wie Familiennachzug, Arbeitsmarkt oder Wohnungsbelange – grob gesagt, um viele Detailfragen zum Asyl- und Aufenthaltsrecht. Sprachbarrieren gibt es kaum: „Wir haben einen Pool an Menschen, die dolmetschen. Oft bringen die Geflüchteten selbst jemanden mit.“ Die Kölner Universität stellt dem Verein für all das kostenfrei Räume bereit.
Als 2015 und 2016 Hunderttausende Geflüchtete Deutschland erreichten, nahmen bei der Refugee Law Clinic auch die Anfragen zu, erinnert sich Annika Fischer-Uebler. „Das hat unsere Arbeit enorm professionalisiert. Wir haben Konzepte und Vereinsstrukturen weiterentwickelt.“ Inzwischen hat sich die Lage ein wenig beruhigt und der Verein ist bestens vernetzt, zum Beispiel mit karitativen Einrichtungen, kooperierenden Kanzleien oder anderen Beratungsstellen. Zugleich stieg mit der größer werdenden Zahl an Geflüchteten auch die Zahl derer, die unterstützen wollten: „Die mediale Debatte hat bei vielen den Impuls gegeben, sich einzubringen. Das sehen wir auch in den Motivationsschreiben all derer, die bei uns mitmachen möchten.“
Fischer-Uebler und von Maydell betonen, nicht unpolitisch zu sein, sondern als Verein auf der Seite der Geflüchteten zu stehen und für eine humane Asylpolitik zu streiten. Die Polarisierung, die es beim Thema Asyl gibt, bekommen auch sie zu spüren: „Wir leben ja in einem Umfeld, das salopp gesprochen eher ‚links-grün‘ ist. Rückmeldungen sind da eher positiv. Genauso kam es aber schon vor, dass ich auf Familienfeiern entgeistert angeschaut wurde, wenn ich von meiner Arbeit erzählt habe“, berichtet Fischer-Uebler. Einmal seien Mitarbeitende des Vereins auch auf einer „schwarzen Liste“ mutmaßlich Rechtsextremer gelandet, ergänzt von Maydell. Da wurde im Verein diskutiert, ob sie wirklich mit vollem Namen und Foto auf der Internetseite erscheinen wollen. Letztlich entschieden sich die Mitglieder, nichts zu ändern. „Es ist wichtig, stark zu bleiben und sich nicht einschüchtern zu lassen.“
Abschreckungspolitik der EU
Ganz andere Probleme ergeben sich für die Ehrenamtlichen dagegen durch das straff organisierte Jura-Studium. „Die Zeit für Nebentätigkeiten ist knapp. Wir wollen deshalb erreichen, dass die Arbeit als Freisemester für das Examen anerkannt wird“, sagt Annika Fischer-Uebler. Angebote wie die Refugee Law Clinic gibt es längst nicht nur in Köln, sondern bundesweit. In anderen Bundesländern wie Hamburg zum Beispiel, wird die Tätigkeit schon als Freisemester anerkannt.
Nicht weniger wichtig sind den Studierenden Änderungen beim Asylrecht. Das sei gerade in Deutschland komplex – und geprägt von einem Grundmisstrauen gegenüber Geflüchteten: „Ich glaube, dass die Asylverfahren absichtlich schwergemacht werden. Das Rechts- und Regelungssystem ist an so vielen Stellen von Passagen durchzogen, die nahelegen, dass hier eigentlich keine Menschen aufgenommen werden sollen“, kritisiert Fischer-Uebler. Ihr Vorstandskollege Max von Maydell moniert auch die zunehmende Abschreckungspolitik der EU. Die zeige sich zum Beispiel auf den griechischen Inseln, wo Geflüchtete in menschenunwürdigen, überfüllten Lagern hausen müssen. Er hat dazu eine klare Meinung: „Mit dieser Politik untergräbt die EU ihre eigenen Werte.“
Dieser Text erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe des Veto Magazins: www.veto-mag.de/gedruckt. Unsere Botschaft an alle Gleichgesinnten: Ihr seid nicht allein!