Nähe

Die sechste Ausgabe

Nie zuvor haben wir uns so viel mit Nähe und Distanz beschäftigt. Bei Begegnungen wägen wir ab, wie nah wir anderen Menschen kommen dürfen, ohne sie zu gefährden. Meist unbewusst messen wir mit unseren Blicken nach, ob der gebotene Abstand auch eingehalten ist und treten – um sicher zu sein – einen Schritt zurück. Wir erschrecken, wenn sich Menschen in Filmen nah sind. Selbst Umarmungen sind rar geworden, dabei schaffen sie Vertrauen und Zugehörigkeit. Warum uns Nähe gut tut, das wurde mit Ausbrechen der Corona-Pandemie rauf und runter erklärt.

Der Umgang mit dem Virus macht uns aber auch bewusst, dass es Fakten und Einblicke braucht, um unbekannte Szenarien bewerten zu können. Mal ehrlich: Wie oft fehlt uns die Nähe zu den Themen, über die wir so emotional streiten können? Denn wir sprechen noch viel zu selten mit jenen, die nah dran sind, die aus dem Innersten erzählen können, weil sie betroffen oder Teil von etwas sind, das wir selbst schwer nachvollziehen können. Wir sprechen über sie, aber nicht mit ihnen, weil wir überzeugt sind, sehr genau zu wissen, wie alles zusammenhängt. Von wegen.

Auf Abstand

Hier sind wir wieder! In unserer brandneuen Ausgabe geht es um Nähe – aber irgendwie auch um Abstand. Zwei Themen, die uns in den letzten Monaten alle intensiv beschäftigt haben und wahrscheinlich für länger prägen werden.

Zeigen, was andere nicht sehen — 12

Luisa L’Audace ist Inklusionsaktivistin und klärt auf Instagram über Lebenswelten behinderter Menschen auf – und darüber, welche Erfahrungen sie mit Ableismus machen. Ein Weg zu echter Nähe zwischen Menschen mit und ohne Behinderung.

Aus dem tiefsten Innern — 20

2014 war Hubertus Koch in Syrien, ohne Auftrag einer Redaktion und ohne großen Plan. Die Kamera hielt er damals selbst. Manchmal weinte er, während sich ihm vor der Linse das Elend des Krieges zeigte. Für “Süchtig nach Jihad” bekam Koch den Deutschen Fernsehpreis. Seither hat er mit seiner direkten Art die Sympathie vieler Menschen gewonnen.

Lecker — 24

In der Kantine der ehemaligen “Akademie der Arbeit” in Frankfurt Freiwillige für Bedürftige und alle, denen ihre “solidarische Küche” schmeckt.

Wenns persönlich wird — 32

Sich entschlossen gegen Neonazis zu stellen, das ist für viele keine bewusste Entscheidung – schon gar nicht im Osten. Gerade wenn Anfeindungen bis ins Private reichen, regt sich Widerstand fast automatisch. Ein Ortstermin in Jamel und Pirna.

Weggesehen — 38

Sexualisierte Gewalt geschieht jeden Tag und wird trotzdem noch immer kleingeredet. Eine gesellschaftliche Debatte fehlt. Um das zu ändern, braucht es viel – eine klare Benennung des Problems zum Beispiel.

“Okay, Leute. Strategiewechsel” — 42

Kathrin Henneberger hat bei Ende Gelände für den schnellen Ausstieg aus der Braunkohle und Klimagerechtigkeit gekämpft. Für die Grünen kandidiert die Berufsaktivistin nun für den Bundestag. Eine Begegnung.

Spielenachmittag — 50

Veto steigt ins Spiele-Business ein. Wurde aber auch Zeit, werdet ihr jetzt denken. Stimmt ja auch! Denn was fehlt mal wieder auf dem Markt? Ein Quartettspiel, das all die aktivistischen Gruppen im Land vereint. Oder sagen wir besser: viele. Denn wir haben bestimmt auch ein paar vergessen, die euch aber total wichtig gewesen wären. Habt ihr denn schon irgendwas Vergleichbares gesehen? Nein? Wir auch nicht.

VEranTwOrtung — 56

Sookee ist queerfeministische Antifaschistin, Musikerin und Mutter. Sie ist Fan von gegenseitiger Sichtbarmachung und Rotationsprinzipien. Mit ihrem Kindermusikprojekt „Sukini” kümmert sie sich vor allem um die jungen Ohren in der Gesellschaft. Für Veto schreibt sie die Kolumne

Auf Entzug — 58

In Deutschlands Fußballstadien sorgen sie für das stimmungsvolle Ambiente: Ultras. Außenstehende aber wissen wenig über die Fangruppen und Medien bedienen sich vieler Klischees. Eine Begegnung mit der “Horda Azzuro” aus Jena – und ein ungewohnt tiefer Einblick in die Szene.

Streit um Stiftungsmillionen — 68

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung hat bei einem erneuten Einzug in den Bundestag Anspruch auf staatliche Gelder in Millionenhöhe. Vor allem die Grünen-Fraktion will das verhindern und fordert nun das, was lange versäumt wurde: ein Stiftungsgesetz. Nur wer den Verfassungsauftrag erfüllt, soll Geld bekommen.

Unsere Mutter — 72

Serpil Temiz Unvar hat beim Terroranschlag von Hanau ihren Sohn verloren. Ihre Bildungsinitiative soll migrantisierte Kinder empowern und Ferhat Unvar unsterblich machen. Eine persönliche Begegnung.

Sprechstunde — 76

Corona bringt die gesundheitliche Versorgung an Grenzen. Unter dem Virus leiden aber längst nicht nur Menschen, die an einer Infektion erkranken. Der Psyche machen fehlende soziale Kontakte zu schaffen. Wie Musikjournalistin Miriam Davoudvandi und die Leipziger Poliklinik gegen alte Stigmata kämpfen, Betroffene sprechen lassen und ihnen zuhören.

Tief im Dickicht — 82

Schon als Kind war Hannah Emde fasziniert, wenn sie den Familiendackel zum Tierarzt begleiten durfte. Heute ist sie selbst Medizinerin. Statt Hunde behandelt sie Riesenschlangen und Nasenaffen – und setzt sich damit für den Erhalt der Artenvielfalt ein.

Sisterhood — 86

Achan Malonda ist politische Künstlerin und Aktivistin gegen Rassismus, für queerfeministische und intersektionale Awareness. Musikalisch schwebt sie zwischen Pop, Elektrobeats und klassischem Chanson. Für Veto schreibt sie die Kolumne

Wenn Nähe Mainstream wird — 88

Wenn es um Familienthemen geht, sind sie die unbestrittenen Königinnen in den sozialen Netzwerken. Pädagogin Inke Hummel, Autorin Nora Imlau, Kleinkindpädagogin Susanne Mierau und Psychologin Patricia Cammarata über Eltern in der Pandemie, bedürfnisorientierte Erziehung und die Frage, warum die der ganzen Gesellschaft nützt.

Impftermin — 94

Franzi von Kempis leitet in Berlin das zweitgrößte Impfzentrum der Stadt. Mit dem Corona-Virus infizierte sie sich schon vor über einem Jahr, als nur wenige wussten, was daraus folgen würde. Die Gefahren von Covid-19 waren ihr früh präsent – gesundheitlich wie gesellschaftlich. Wie die Pandemie von Kempis’ persönlichen Karriereplan auf den Kopf stellte.

Veto ist das neue Print-Magazin, das die Engagierten im Land in den Fokus der Berichterstattung rückt. Veto ist ein gedrucktes Heft, aber auch eine Plattform für all jene, die sich auf den Weg gemacht haben, unsere offene Gesellschaft zu verteidigen. Viermal im Jahr und jeweils auf 100 Seiten stellen wir Engagierte, deren Arbeit, Aktionen, Ideale vor – und regen Debatten an. Die Botschaft an alle Gleichgesinnten: Ihr seid nicht allein!